Pfohl war einer der angesehensten deutschen Musikkritiker; sein Urteil hatte großes Gewicht (Schaal in MGG 1962); vor allem als Musikschriftsteller und Musikkritiker war er weiten Kreisen musikinteressierter Menschen in Deutschland bekannt; Kompositionen von ihm sind zu seinen Lebzeiten recht häufig aufgeführt worden und wurden überaus positiv rezensiert.

“Aus allen diesen Sätzen spricht nun ausnahmslos eine reiche charakteristische musikalische Erfindung, ein bedeutendes contrapunktisches Können und ein außergewöhnliches, wirklich glänzendes Instrumentationstalent. ... geradezu glänzend und reich an wirklich neuen, originellen Klangkombinationen ... . ... nur ein genialer, wirklich productiver Kopf konnte den Orchesterapparat nach der phantastischen Seite ähnlich ausbauen ... .”

Diese Aussage stammt aus einer Rezension von Heinrich Chevalley, der über die Leipziger Uraufführung der Meer-Symphonie für großes Orchester und Orgel von Ferdinand Pfohl berichtet.

"Temperament bis in die Fingerspitzen, besitzt Pfohl eine beneidenswerte Phantasie. Kaum berührt er oder fühlt sich angeregt von einem Thema, schon umgibt es seine Phantasie mit wirbelnden Kreisen, kaum fällt ein Funken in seine Seele, schon sprüht und lodert es an allen Seiten, ein zauberisches Feuerwerk, eine Flammenorgie. So ist Pfohl als Schriftsteller, so ist er als Komponist.”

Er veröffentlichte 1911 eine populär geschriebene Biographie über Richard Wagner, die eine hohe Auflagenziffer erreichte, hinzu kamen Führer zu 6 Opern des großen Bayreuther Meisters, in denen er sich als Meister der Werkanalyse erweist (Schaal in MGG 1962). Eine grundlegende Darstellung schrieb Pfohl über den bedeutenden Dirigenten Arthur Nikisch, dem er eng verbunden war. Zahlreiche andere Bücher widmeten sich vor allem Komponisten und Musik des 19. Jahrhunderts.
Mit vielen Musikerpersönlichkeiten seiner Zeit war er gut bekannt, teilweise auch befreundet: Eugen d`Albert, Feruccio Busoni, Edvard Grieg, Engelbert Humperdinck, Gustav Mahler, Jules Massenet, Giacomo Puccini, Max Reger, Richard Strauss, Siegfried und Cosima Wagner, Ermanno Wolf-Ferrari, Felix Woyrsch und vielen anderen. Von Mahler und Reger sind einige Briefe überkommen, sowie ein Briefwechsel mit Humperdinck. Viele weitere Briefe bedeutender Persönlichkeiten an Ferdinand Pfohl sind verschollen.
Seit seiner Studentenzeit in Leipzig war Pfohl mit dem großen Pianisten und Komponisten Ferruccio Busoni befreundet; nach dessen frühem Tod veröffentlichte er einen lesenswerten Artikel in der
Musikwelt“ des Jahres 1925 über ihn. Im Busoni-Nachlaß in der Staatsbibliothek zu Berlin sind 10 Briefe Pfohls an Busoni erhalten.

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Ferdinand Pfohl 1892
Pastellbild von Anton Klamroth

Er wurde am 12. Oktober 1862 in dem westböhmischen Städtchen Elbogen an der Eger [heute: Loket n.O., Tschechische Republik] geboren. Sein Vater Ferdinand Pfohl senior war viele Jahre Elbogener Stadtsekretär, ein Amt, das dem des heutigen Stadtdirektors entspricht.
Obwohl das besondere Interesse des jungen Ferdinand von jeher der Musik galt, studierte er doch auf Wunsch seines Vaters zunächst Jura, und zwar in Prag. Der Besuch einer Parsifal-Aufführung im Jahre 1883 in Bayreuth zeigte ihm jedoch endgültig seine Bestimmung für die Musik: ”Du gehörst der Musik, einzig und allein der Musik, und die Musik gehört zu dir; sie ist dein Blut, deine Seele ...” Daher brach er das Jurastudium ab und übersiedelte im Jahre 1885 nach Leipzig, dieser so bedeutenden Musikstadt. Dort studierte er insbesondere bei Prof. Oskar Paul Musikwissenschaft und Komposition; außerdem besuchte er Vorlesungen der philosophischen Fakultät der Universität Leipzig.
Sein erstes großes Orchesterwerk „Die Apsarase“ wurde bereits 1887 in der Albert-Halle in Leipzig uraufgeführt. Im Jahre 1889 folgte die Uraufführung der symphonischen Dichtung ‚Savonarola’. Aus seiner Leipziger Zeit sind die im Jahre 1891 entstandenen Lieder des Zyklus Mondrondels aus Girauds Pierrot-Sammlung besonders hervorzuheben; dies war offensichtlich die erste Pierrot-Vertonung überhaupt, die fast 20 Jahre vor der Vertonung Arnold Schönbergs entstand.

„Alles in Allem zeigt sich Pfohl in diesem Opus als ein phantasievoller Komponist, der vollständig auf dem Boden jener modernsten Richtung steht, welche allem veralteten Regelwesen und abgetanen Formelkram abhold das Recht freien Schaffens und Gestaltens innerhalb der von der eigenen Phantasie gezogenen Grenzen fordert“ heißt es in einer zeitgenössischen Kritik. Lutz Lesle urteilt im Jahre 1999, die ‚Humoreske’ aus diesem Zyklus wage sich mit übermäßigen, wie auch chromatisch parallel-verschobenen Dreiklängen in impressionistische Klangzonen vor.

Seit dem Abbruch des Jurastudiums hatte der Vater ihm die finanzielle Unterstützung entzogen, so dass er seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten musste. Dies gelang ihm schon bald, indem er Musikkritiken für die “Königlich Leipziger Zeitung” und das “Leipziger Tageblatt“ verfasste; mit seinen Artikeln beeindruckte er u.a. Edvard Grieg sowie den außergewöhnlichen Dirigenten und Klaviervirtuosen Hans von Bülow so sehr, dass dieser 1892 dem Verleger der einflussreichen „Hamburger Nachrichten“ Pfohl für die Leitung ihres Musikfeuilletons empfahl; diese Position hat Pfohl von November 1892 bis Jahresende 1931 inne gehabt.

In seinen Kritiken und Büchern verband er ein sehr analytisches Urteil mit einer lebendigen, bildhaften und von umfassendem Wissen getragenen Kunst der Darstellung. Seine Bücher und seine Tätigkeit als kritischer Referent waren der Hauptanlass, dass ihm im Jahre 1914 das Herzogtum Anhalt den Professortitel h.c. und 1923 die Universität Rostock die Würde des Dr. phil. h.c. verliehen haben. Darüber hinaus leitete Pfohl seit 1908 als Mitdirektor das hochangesehene Vogtsche Konservatorium in Hamburg und lehrte dort Musikgeschichte, Musiktheorie, Harmonik und Stil; von 1943 bis 1948 setzte er seine musikerzieherische Tätigkeit als Dozent an der städtischen Schule für Musik und Theater [dem Vorläufer der heutigen Hochschule für Musik und Theater in Hamburg] fort.

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Ferdinand Pfohl
Zeichnung von B. F. Dolbin 1927

Auch mit zahlreichen Rundfunkvorträgen trat Pfohl seit 1924 an die Öffentlichkeit und vermochte mit seiner lebhaften und amüsanten Sprechweise, mit fundierten Urteilen und einer allgemeinverständlichen Darstellung seine Zuhörer zu fesseln.

Mit Beginn der nationalsozialistischen Ära im Jahre 1933 war ihm dieses Medium jedoch aus politischen Gründen verschlossen.

Am 16. Dezember 1949 starb Pfohl im 88. Lebensjahr in Hamburg-Bergedorf. Seine Arbeit als Musikschriftsteller lebt und wirkt durchaus fort. So ist beispielsweise postum ein Manuskript von ihm mit Erinnerungen an Gustav Mahlers Hamburger Schaffensperiode im Jahre 1973 von dem dänischen Musikwissenschaftler Knud Martner herausgegeben worden.

Zu Unrecht sind Pfohls - überwiegend der Spätromantik zuzurechnende - Kompositionen fast völlig in Vergessenheit geraten. Nur gelegentlich erklingen heutzutage im Konzertsaal oder auch im Rundfunk einzelne Werke von ihm. Dabei gehörten zu den Dirigenten, die zu seinen Lebzeiten in ganz Deutschland seine großen Orchesterwerke aufgeführt haben, so bedeutende Musikschaffende wie Arthur Nikisch mit der Ballettszene, Felix Mottl mit Teilen der Meersymphonie sowie Hermann Kretschmar, Max Reger und Hans Sitt mit der Rhapsodie Twardowsky für Orchester, Männerchor und Mezzosopran. Leider sind nur noch von diesen Orchesterwerken Noten erhalten. Überkommen sind auch die Noten von den Klavierwerken Elegische Suite und Strandbilder sowie von den Liederzyklen Mondrondels, Schilflieder, Sirenenlieder und Turmballaden, desgleichen von einer Anzahl Lieder zu Gedichten von Josef v. Eichendorff, Goethe, Paul Heyse, Friedr. Nietzsche, Wilhelm Raabe, Max Haushofer, Otto Erich Hartleben u.a.

LITERATUR

Helmut Brenner/Reinhold Kubik, Mahlers Menschen. Freunde und Weggefährten, St. Pölten: Residenz-Verlag 2014, ISBN 978-3-7017-3322-4, S. 180–183.
Helmut Brenner, Musikkritik am Ende des 19. Jahrhunderts am Beispiel Ferdinand Pfohls und seines Verhältnisses zu Gustav Mahler, in: Studien zum 250. Todestag Johann Matthesons. Musikschriftstellerei und -journalismus in Hamburg, hg. von Simon Kannenberg, Berlin 22017 (Musik und. Neue Folge, 12), S. 193-206.
Simon Kannenberg, Ferdinand Pfohl (1862–1949), in: Historisch Ostdeutsche Gedenktage 2019, Bonn 2021, S. 203–207.
Wilhelm Leonhardt, Prof. Dr. Ferdinand Pfohl zum Gedenken, in: Lichtwark-Heft Nr. 24 (Dezember 1962), hrsg. Lichtwark-Ausschuß Bergedorf, Hamburg-Bergedorf (siehe jetzt: Verlag HB-Werbung, Hamburg-Bergedorf, ISSN 1862-3549).
Ferdinand Pfohl, Wie ich Musikkritiker wurde, ZfM Bd. 99 (1932), S. 959-961.
Ferdinand Pfohl, Leben und Schaffen. Autobiographische Skizze und kleine Erinnerungen, in: ZfM Bd. 109 (1942), S. 445-450.
Rudolf H. Pfohl, Ferdinand Pfohl – ein ‚Leib- und Seeleneigener der Musik’, in: Mitteilungen der Pfohl-Woyrsch-Gesellschaft Hamburg 1999, S. 6-36.
Kurt Stephenson, Ferdinand Pfohl zum 75. Geburtstag. Vier lebende Bilder mit Prolog und Nachbesinnung, ZfM (1937), S. 1103-1105.
Andreas Willscher, Ferdinand Pfohl. Ein Böhme in Hamburg, Prag: Editio Bärenreiter Praha 2001, 144 Seiten, ISBN 80-86385-07-8.

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